• Therapiezieländerung, Therapieabbruch und verwandte Begriffe

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Geschichte
Noch um 2008 sind Wortbildungen, die Bezug auf eine „Richtungsänderung“ in der Behandlung nehmen, sehr selten, die Wörter Therapieabbruch, Therapieverzicht und Therapiebeendigung dominieren den Diskurs. Die positiver konnotierten Wörter Therapiezieländerung und Therapierückzug treten ab 2006 vereinzelt und ab 2008 regelmäßig auf. Therapierückzug verschwindet um 2010 wieder aus den Texten.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativmedizin
Die Frage nach der Gestaltung des Lebensendes muss nicht als primär ethische Frage gestellt werden – sie ist immer auch eine Frage nach der Angemessenheit medizinischer Maßnahmen. In palliativmedizinischen Fachtexten steht daher häufig die medizinische Komponente des Handelns am Lebensende im Vordergrund. Die Einleitung entsprechender Maßnahmen ist Teil der Entscheidungsfindung und damit wiederum auf kommunikative Prozesse zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient zurückzuführen.
Das Wort Therapiezieländerung kennzeichnet im Korpusbefund das Vorhandensein mehrerer Optionen, gewissermaßen einen Scheideweg: Grundsätzlich hat die Ärztin/der Arzt aufgrund seiner professionellen Verantwortung zu entscheiden, welche Behandlungsmöglichkeiten indiziert sind, wobei eine Konsultation der Patientinnen/Patienten erfolgt. Metaphorisch bezeichnet die Therapiezieländerung einen Übergang zwischen zwei Zuständen: Einer kurativen Zielsetzung in der ersten Phase steht eine palliative oder symptomorientierte Zielsetzung (Kollokationen: Symptomkontrolle, Linderung, Abmilderung) in der zweiten Phase relativ klar gegenüber. Mithin wird in Palliativpublikationen explizit hervorgehoben, dass es sich bei einer Therapiezieländerung nicht um eine negativ assoziierte „Ersatzhandlung“ handelt, die direkt zur Sterbephase hinführt. Vielmehr ist in den meisten Texten lediglich der Übergang zur Phase des Lebensendes gemeint. Zum Teil erfolgt explizite Abgrenzung zum Wort Therapiebeschränkung sowie zu klischeehaften Formulierungen wie "austherapiert sein" und "Wir können nichts mehr für Sie tun!".
Als stärker auf eine Einschränkung bzw. ein Ende medizinischer Maßnahmen abzielende Begriffe werden Behandlungsbegrenzung, Therapiebeschränkung und Therapiebegrenzung in den Texten faktisch als Synonyme verwendet. Die Semantik dieser Wörter kann wie folgt umrissen werden: Alle Situationen, in denen laufende lebenserhaltende Maßnahmen entweder beendet oder erst gar nicht aufgenommen werden, können als Behandlungsbegrenzung bezeichnet werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn aus ärztlicher Perspektive eine Indikation lebenserhaltender Maßnahmen fehlt oder die Patientin/der Patient seine/ihre diesbezügliche Einwilligung verweigert (Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen). Kontextuell ist allen voran eine stärkere Verknüpfung mit Wörtern, die Prozesse im Kontext des Sterbens und des Lebensendes bezeichnen, auffällig. Dabei kommt eine vor allem subjektiv durch die Patientin/den Patienten erlebte Unterscheidung zwischen aktivem Handeln (Abbruch einer laufenden Maßnahme) und passivem Unterlassen (Nicht-Beginnen einer Maßnahme) zum Tragen.

 

Kollokationen: Gespräch, Beratung, Urteil, Fallbesprechung, Tod, lebensverlängernd, kurativ, palliativ, Entscheidung, interdisziplinär, ethisch, Sterbephase, Prozess, existenziell, Behandlungsziel

 

Feststehender Begriff: Nein. Eine große Bandbreite an Begriffen mit z.T. erheblichen semantischen Überschneidungen. Für diesen Bereich statistisch relevante Wörter sind Therapiezieländerung, Therapieverzicht, Therapiebegrenzung, Therapierückzug und Therapieabbruch, wobei dieses Feld sicherlich noch ergänzt werden könnte. Die genannten Wörter sind für die Palliativmedizin sehr spezifisch und in anderen Disziplinen insgesamt selten.

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch