• Therapieabbruch, Behandlungsabbruch, Therapiebegrenzung

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Geschichte
Das in der Palliativversorgung verbreitete Verständnis von Sterbehilfe wird maßgeblich von juristischen Konzepten beeinflusst.  Es entspricht aber in vielfacher Hinsicht nicht dem Verständnis und dem tatsächlichen Anspruch der Palliativversorgung. In vielen Palliativmedizinischen Publikationen werden seit etwa 2006 mehrere Alternativbegriffe verwendet. Diese ermöglichen es, die Handlungsmöglichkeiten der Palliativversorgung am Lebensende präziser zu erfassen. Sie sind zentrale Gegenstandsbereiche des palliativen Ansatzes.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativversorgung
Therapiezieländerung, Therapieverzicht, Therapiebegrenzung, Therapiebeendigung, Therapiereduktion, Therapiebeschränkung, Therapierückzug und Therapieabbruch beziehen sich auf eine völlig andere Vorstellungswelt als die früher geläufigen Begriffe passive oder indirekte Sterbehilfe, die Liste ließe sich noch weiter ergänzen. Nicht alle Begriffe dieser Kategorie können gleichermaßen umfänglich behandelt werden. Zur passiven Sterbehilfe besteht schon insofern eine gewisse Ähnlichkeit in den Kollokationen, als dass die unmittelbaren lexikalischen Umgebungen von Therapieabbruch, Therapierückzug, Therapiebeendigung, Sterbenlassen und passiver Sterbehilfe eine Interpretation als Unterlassungshandlungen nahelegen. Dagegen tritt die Semantik fortgesetzter Aktivitäten am Lebensende eher in den Hintergrund, im Fokus steht die Beendigung kurativer Therapieformen und die damit verbundene Frage nach dem Nutzen entsprechender medizinischer Maßnahmen, es besteht eine starke Assoziation mit dem Konzept der Futility, also der fehlenden Indikation bzw. der Vergeblichkeit dieser medizinischer Maßnahmen am Lebensende. Die Kollokationen verdeutlichen zudem, dass die Frage nach der Einwilligungsfähigkeit eines Patienten eine maßgebliche Rolle spielt, ein Aspekt, der im Kontext des Wortes Therapiezieländerung praktisch keine Rolle spielte. Es existieren zwei konkurrierende Interpretationen des Wortes: Einerseits lässt sich unter Behandlungsabbruch das Nichtweiterführen einer Therapie, also deren aktiven Abbruch verstehen, andererseits das Unterlassen weiterer Behandlungen. Mit Therapieverzicht ist das Nichtergreifen einer lebenserhaltenden Maßnahme gemeint. Das Wort Therapierückzug lässt sich kaum deutlich fassen, es kann seiner Semantik gemäß das Nicht-Weiterführen einer bereits begonnenen Maßnahme im Sinne eines „Auslaufen-Lassens“ einer Therapie bedeuten als auch die abrupte Beendigung einer Maßnahme (z.B. die Beendigung einer Beatmung). Therapiereduktion kann der Wortbildungsbedeutung gemäß die Fortsetzung therapeutischer Maßnahmen in geringerem Umfang bedeuten, gleichzeitig ergibt sich immer wieder aber auch Synonymie zu Therapieabbruch und Therapiebeendigung. Behandlungsabbrüche und verwandte Konzepte sind ethisch in hohem Maße reflexionsbedürftige Vorgänge, entsprechende Entscheidungen müssen im Rahmen der Entscheidungsfindung gemeinsam mit den Patienten und Angehörigen getroffen werden.

 

Kollokationen: Therapiereduktion, Therapieverzicht, Strahlentherapie, Sterbehilfe, Lebensende, entscheidungsfähig, Prozess, Unterlassen, Entscheidung, Nutzen

 

Feststehender Begriff: Nein. Trotz semantischer Unterschiede überschneiden sich die Begriffe schon untereinander stark, gleichzeitig bestehen Interferenzen zum Wort Therapiezieländerung. Teilweise ergibt sich Synonymie zu Sterben zulassen, Sterbenlassen, indirekte und passive Sterbehilfe. Hier mangelt es jeweils an einer trennscharfen Definition, eine terminologische Differenzierung des Feldes ist bisher nicht gelungen.

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch