• Suizid, ärztlich assistierter

Score-Wert:        22,5 (zentraler Kernwortschatz)

 

Geschichte
Das Wort ist seit dem Beginn des Betrachtungszeitraums fester Bestandteil der Diskussion um das Verhältnis von palliativen und lebensverkürzenden Maßnahmen. Belege, die sich auf ärztlich assistierten Suizid beziehen, machen quantitativ den größten Teil der Belege für das Wort Suizid aus. Ein Höhepunkt ergibt sich, beginnend mit der Diskussion um § 217 StGB, im Zeitraum von 2015-2019 (vierfache Frequenz des Vorjahres). Rechtlich gesehen war der ärztlich assistierte Suizid zunächst als Beihilfe zum Suizid zu werten und als solche straflos, dennoch wurde auch in den vor 2015 erschienenen Texten auf die besondere ärztliche Verantwortung hingewiesen und der ärztlich assistierte Suizid durchweg abgelehnt, insbesondere mit Verweis auf medizinethische Positionen und dem verbreiteten Argument des „Dammbruchs“. Das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) wurde als gangbare Alternative und Stärkung der palliativen Kultur positiv aufgenommen. Die kritische Reflexion der Gesetzeslage ist jedoch noch keinesfalls beendet. In den Jahren seit 2018 gewinnt die Diskussion um den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) in den Fachtexten an Bedeutung.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativmedizin
Während der Suizidbegriff in palliativmedizinischen Fachtexten vor allem unter Rückgriff auf persönliche Beweggründe verhandelt wird, spielt in Argumentationslinien rund um den ärztlich assistierten Suizid der ethische oder rechtsförmige Charakter von Handlungen eine zentrale Rolle. Die in den Texten vollzogenen Diskussionen bewegen sich im Spannungsfeld von ethischen Imperativen und positiviertem Recht. Insofern die gesetzgeberische Lösung in der Ärzteschaft in mehrfacher Hinsicht zu Irritationen führte, gehört die Evaluation der Rechtssicherheit bei spezifischen ärztlichen Handlungen zu den wichtigsten Textinhalten. Ärztlich assistierter Suizid entspricht wie jede auf vorzeitige Beendigung des Lebens abzielende Maßnahme nicht der Haltung der meisten palliativmedizinischen Fachtexte. Dennoch wird die in § 217 vorgeschlagene Lösung immer wieder kritisch als Einschränkung palliativmedizinischer Handlungsautonomie aufgefasst. Zudem hat auch die Definition, welche Handlungen als Suizid, welche als geschäftsmäßig zu werten seien, maßgeblichen Einfluss auf den „Spielraum“ ärztlicher Handlungsfähigkeit.
Palliativmedizinische Fachtexte zeigen oft auf, dass keine zwingende Verbindung zwischen ärztlich assistiertem Suizid und der Patientenautonomie besteht. Maßgeblich ist, dass der Begriff der Würde in den Texten von der autonomen Bestimmung des eigenen Todeszeitpunktes abgekoppelt wird. Korrespondierend zur Ablehnung von ärztlich assistiertem Suizid bildet die gemeinsame Bewältigung von Leid am Lebensende eine der grundlegenden Säulen palliativen Handelns. Um Kontrolle und Selbstbestimmung bis an das Lebensende zu erhalten, können patientenseitig auch eine Patientenverfügung und eine individuelle gesundheitliche Versorgungsplanung (Advance Care Planning) in die Überlegungen einbezogen werden.

 

Kollokationen: assistiert, medizinisch-assistiert, Beihilfe, begehen, geschäftsmäßig, Strafbarkeit, Verbot, Strafe, Tötung, Euthanasie, Schweiz, Selbsttötung, Hinterbliebene, Handlung.

 

Feststehender Begriff: Nein. Bei den in den Texten zugrunde liegenden Bedeutungen von ärztlich assistiertem Suizid und konzeptuell verknüpften Begriffen (Sterbehilfe, Tötung auf Verlangen, Sterbebegleitung, Beihilfe zum Suizid, Therapieverzicht, palliative Sedierung) wird auf unterschiedliche Definitionsvorschläge Bezug genommen. Diese unterscheiden sich oftmals schon im Hinblick auf das Verständnis von Suizid beträchtlich.

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch