• Sterbebegleitung

Score-Wert:        26 (zentraler Kernwortschatz)

 

Geschichte
Der Begriff wird gerade in den Anfangsjahren der Palliativmedizin sehr positiv verwendet. Um 2006 entwickeln sich erstmals feste Fügungen (interkulturelle Sterbebegleitung, Spiritualität in der Sterbebegleitung, Achtsamkeit in der Sterbebegleitung). Um diese Zeit wird der Begriff mit positivem Vokabular angereichert, ist also für sich genommen nicht durchgehend positiv besetzt (etwa würdevolle Sterbebegleitung). Schon um 2000 existiert die fachsprachlich übliche Konstruktion ärztliche Sterbebegleitung. als ein Anliegen der Palliativmedizin im Gegensatz zur ehrenamtlichen Sterbebegleitung. Das Wort zählt auch in späteren Stichprobenzeiträumen zu den wichtigen Dimensionen palliativen Handelns, ist jedoch um 2005 nicht mehr dominantes „Kerngeschäft“, sondern lediglich eine von vielen Dimensionen palliativer Tätigkeit. Obwohl der Begriff keine ausdrückliche Abwertung erfährt, wird er seit 2017 tendenziell seltener verwendet.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativmedizin
Sterbebegleitung wird überdurchschnittlich häufig in hospizlichen Zusammenhängen verwendet und ist besonders in der Frühphase der Palliativmedizin eng mit Hospizbewegung und Ehrenamt verknüpft. Das Wort weist zudem eine hohe Affinität zu spirituellen Inhalten und insbesondere christlichen Glaubensvorstellungen auf. In der Palliativmedizin geht Sterbebegleitung häufig mit ethischen und sozialen Kategorien einher: Ganzheitlichkeit, Würde, Lebensqualität, Kommunikation, Autonomie, aber auch Schmerzfreiheit. Sterbebegleitung ist also nicht als punktuelle Linderung von Leid zu verstehen, sondern als Phase besonderer Zuwendung, die alle Dimensionen der Lebensqualität der Patientin/des Patienten erfasst.

 

Bedeutungsspektrum in anderen Disziplinen
Unbedingt zu beachten ist die Abgrenzung des Wortes zu Konzepten in anderen Disziplinen. Hier können semantische Unschärfen zu Missverständnissen des Gemeinten führen: Das Spannungsfeld semantisch verknüpfter, unmittelbar in der Nähe auftretender Begriffe reicht von Symptomkontrolle oder Symptomlinderung über Therapiezieländerung bis hin zu indirekter Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid. Gerade in Fachtexten anderer Disziplinen findet immer wieder eine Verengung hin zur Semantik Sterbebegleitung = ‚Steigerung der Lebensqualität durch Schmerzlinderung‘ oder ‚Erleichterung unmittelbar vor dem Tod‘ statt. Diese Wortbedeutung ist insbesondere für medizinische Rechtstexte relevant, in denen eine klare Abgrenzung zur strafrechtlich relevanten aktiven Sterbehilfe geschaffen wird:  In Bezug auf das betroffene Rechtsgut Leben liegt der Schluss nahe, dass das Interesse an Schmerzlinderung als Basis der individuellen Lebensqualität das allgemeine Lebensinteresse übersteigt. Während in vielen Referenztexten anderer Disziplinen Sterbebegleitung die Begleitung von Sterbenden „im engeren Sinne“ bedeutet (d.h. Kranke oder Verletzte, bei denen der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist), werden in die palliativmedizinische Sterbebegleitung auch Krankheitsverläufe mit ungünstiger Prognose in einem fortgeschrittenen Stadium einbezogen. Hier wird das Verständnis der palliativen Sterbebegleitung als Zuwendung in der (möglicherweise länger andauernden) letzten Lebensphase relevant. Problematischerweise wird Palliativmedizin in der Alltagssprache häufig mit Sterbebegleitung in der unmittelbaren Sterbephase gleichgesetzt. Hier bedarf es fundierter Aufklärung, welche weiteren Ziele und Aufgaben zum Profil der Palliativmedizin zählen, die über eine reine Sterbebegleitung hinausgehen.

 

Kollokationen: interkulturell, qualifiziert, ärztlich, Spiritualität, Achtsamkeit, Würde, würdevoll, ehrenamtlich, Dokumentation, Hospizarbeit, Sterbehilfe

 

Feststehender Begriff? Ja. Eine institutionelle Fixierung besteht durch die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“, Ärzteblatt 108; 7 (2011).

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch