• Patientenwille

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Geschichte
Neben der Lebensqualität stellt die Berücksichtigung des Patientenwillens eines der zentralsten Anliegen der Palliativmedizin dar. Der Stellenwert des Patientenwillens im Fach ändert sich beständig, und zwar in positiver Hinsicht. Allein zwischen 2009 und 2019 nahm die Häufigkeit des Wortes um 55% zu, und es wird in längeren Passagen über den Willen der Patientin/des Patienten reflektiert.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativmedizin
In palliativmedizinischen Fachtexten sind zwei Arten des Wortgebrauches von Patientenwille zu unterscheiden, die semantisch deutlich voneinander abgegrenzt sind.
Der Patientenwille im allgemeinen und alltagsrelevanten Sinne bezeichnet alle patientenseitigen Willensäußerungen. Das Wort unterscheidet sich nicht erheblich von Varianten wie Wunsch, Bedürfnis oder wollen. Im Vergleich zu Bedürfnis, einem Wort, das sich vor allem auf die verschiedenen Dimensionen von Lebensqualität bezieht, ist der Begriff Patientenwille stärker mit der ethischen Kategorie der Selbstbestimmung verknüpft. In diesem Sinne bedeutet die Artikulation des Patientenwillens, vom eigenen Recht auf Selbstbestimmung Gebrauch zu machen und die eigenen Vorstellungen von Lebensqualität und Würde selbstbewusst zu artikulieren.
Der Patientenwille im juristischen Sinne bezeichnet alle juristisch relevanten Patientenäußerungen, insbesondere in Entscheidungssituationen und/oder am Lebensende. Er betrifft die individuellen Wünsche, Vorstellungen und Werte einer Person im Hinblick auf Lebensplanung und Behandlungsverlauf. Der Patientenwille kann in verschiedener Form zum Ausdruck kommen: Einerseits als aktuell erklärter Wille, andererseits bei Nichteinwilligungsfähigkeit in verschriftlichter Form als vorausverfügter Wille durch eine Patientenverfügung oder in Form einer stellvertretenden Entscheidung durch Bevollmächtigte und Betreuerinnen/Betreuer. Der juristische Begriff von Patientenwille ist wiederum mit weiteren typischen Rechtsvokabeln verknüpft:
Patientenverfügungen sind als direkter Ausdruck des Patientenwillens und damit des Selbstbestimmungsrechts zu sehen. Maßgebliche Kriterien bei der Ermittlung des Patientenwillens sind die Einwilligungsfähigkeit, das Vorliegen einer Patientenverfügung und die Existenz eines juristischen Stellvertreters. Wenn die Patientin/der Patient nicht entscheidungsfähig ist und keine Patientenverfügung vorliegt, muss der mutmaßliche Patientenwille ermittelt werden.
Ebenfalls von Bedeutung ist die Einschätzung möglicher Maßnahmen von ärztlicher Seite. Patientenwille und medizinische Indikation seitens der Ärztin/des Arztes können sich in Einzelfällen erheblich unterscheiden. Dieses Spannungsfeld stellt einen der wichtigsten ethischen Zweifelsfälle im ohnehin ethisch hochrelevanten Palliativsetting dar – beispielsweise die Frage nach dem Einsatz oder Nicht-Einsatz lebenserhaltender Maßnahmen.

 

Kollokationen: Ermittlung, mutmaßlich, Betreuungsstatus, erklären, eruieren, Missachtung, Durchsetzung, Behandlungswunsch, Patientenvertreter/in, Einverständnis, Berücksichtigung, Unterlassen, Wunsch.

 

Feststehender Begriff: Ja. Der Begriff Patientenwille umfasst alle Willensäußerungen des Patienten im Allgemeinen und juristisch relevante Willensäußerungen im Besonderen. Der Patientenwille muss in jeder Phase der Behandlung einschließlich der Sterbephase beachtet werden. Bei allen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen steht der Patientenwille im Vordergrund.

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch