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Geschichte
Erstbelege für diese Wörter treten 2004 bzw. 2006 auf, von einer systematischen und frequenten Verwendung im Sinne eines fachspezifischen Paradigmas kann ab 2012 gesprochen werden. Der Begriff
Patientenzentrierung bezog sich zunächst ausschließlich auf kommunikatives Handeln, wird jedoch heute zum Teil auch als Gesamtcharakterisierung des palliativmedizinischen Ansatzes verwendet.
Bedeutungsspektrum in der Palliativmedizin
Es ergeben sich (tendenzielle) semantische Unterschiede in der Verwendung der einzelnen Wörter. Patientenzentrierung ist stärker auf kommunikative Akte bezogen und bezeichnet eine Haltung, die in
den Texten mit spezifischen Merkmalen verknüpft ist. Hierzu gehören Achtung und Aufrichtigkeit gegenüber der Patientin/dem Patienten als Person, Zuhören, Wahrnehmen von Emotionen, offene,
vermittlungsorientierte Kommunikation und aktive Rückversicherungen, ob oder wie kommunikative Botschaften verstanden wurden. Später dehnt sich die Bedeutung von Patientenzentrierung auf alle
Aspekte der Palliativmedizin aus (patientenzentrierter Ansatz, d.h. eine individualisierte basismedizinische Versorgung, die sich an den Bedürfnissen der Patientin/des Patienten orientiert).
Patientenzentrierte Kommunikation hat günstige Auswirkungen auf Behandlungszufriedenheit, Prozesse effektiver Entscheidungsfindung, seelisches Befinden bzw. psychische Belastung der Patientin/des
Patienten. Patientenorientierung stellte nie einen Terminus dar, der explizit auf Kommunikation bezogen war, sondern vielmehr auf die Behandlung der Patientin/des Patienten selbst. Der
Patientin/dem Patienten soll eine Schlüsselrolle im Behandlungsprozess zukommen, indem ihr/ihm aktiv Mitspracherechte eingeräumt werden. Patientenorientierung bedeutet dann eine Orientierung am
Willen der Patientin/des Patienten. Ein selten gebrauchtes Synonym für partizipative Entscheidungsfindung ist patientenorientierte Entscheidungsfindung. Doch auch in Behandlungssituationen ohne
expliziten Entscheidungsdruck kommt der Patientenorientierung eine Berechtigung zu. Sie erscheint insofern als sinnvoll, als dass Lebensqualität und die Wahrnehmung von Symptomen subjektive
Erfahrungen widerspiegeln. Daher ist Symptomenkontrolle notwendigerweise schon deshalb ein patientenorientierter Prozess, weil Patientinnen/Patienten den Erfolg der palliativen Linderung
individuell bewerten müssen. Komplementäre Angebote sind in der Literatur signifikant mit Patientenorientierung verknüpft, oft mit der Begründung, dass die Patientin/der Patient aus einem dieser
Ansätze selbstständig auswählen soll.
Im Vergleich zur Patientenorientierung weist Bedürfnisorientierung der Patientin/dem Patienten eine passivere Position zu. Das Wort wird vor allem in Kontexten von Pflege und Betreuung verwendet,
kann also einem eher pflegerischen Standpunkt zugeordnet werden. Seit 2010 ist häufiger von bedürfnisorientierter Versorgung die Rede, womit alle Teilbereiche des Versorgungsprozesses
angesprochen werden.
Kollokationen: individuell, radikal, zentral, Behandlungspfad, Prozessorientierung, Vernetzung, Angehörige, kompetent
Feststehender Begriff: Nein. Allerdings können Parameter der Patientenorientierung für mehrere Teilbereiche der Palliativmedizin bestimmt werden (z.B. patientenorientierte Behandlung, patientenorientierte Kommunikation). Gleichzeitig existieren sich überschneidende Konzepte (Patientenzentrierung), sowie entsprechende feste Wortgruppen (Fokussierung auf den Patienten/die Patientin, Patient/-in im Mittelpunkt).
aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch