Score-Wert: 28 (zentraler Kernwortschatz)
Geschichte
Der Begriff ist nicht zeitgebunden und tritt über alle untersuchten Zeiträume hinweg mit ebenmäßiger Verteilung über die Zeit auf. Ethische Fragen werden in den Palliativtexten verstärkt zwischen
2000 und 2005 sowie zwischen 2015 und 2017 verhandelt.
Bedeutungsspektrum in der Palliativversorgung
Ethik ist ihrer Grundbedeutung gemäß die Wissenschaft von der Bewertung menschlichen Handelns vom methodischen Nachdenken über die Moral. Ethisches Handeln wird insbesondere hinsichtlich seiner
Begründbarkeit bewertet. Die Ethik ist eine hochgradig reflexive Disziplin. Als Teilgebiet zählt sie neben der Rechts-, Staats- und Sozialphilosophie zu den Disziplinen der praktischen
Philosophie. In palliativmedizinischen Texten bezeichnet Ethik bzw. eine Orientierung an ethischen Grundsätzen zunächst eine Werthaltung oder Haltung von in der Hospiz- und Palliativversorgung
tätigen Personen im Behandlungsalltag. Diese besondere ethische Orientierung wird als Alleinstellungsmerkmal der Palliativversorgung gesehen und immer wieder gemeinsam mit anderen
haltungsbezogenen Konzepten wie Kommunikation, Mitmenschlichkeit, Teamarbeit oder Patientenorientierung genannt. Die Palliativversorgung versteht sich selbst sehr explizit als ethische
Disziplin.
Zweitens können in den Fachtexten bestimmte konkrete Bereiche, Felder und Fragestellungen der Ethik benannt werden, die in der Palliativversorgung von besonderem Interesse sind.
Hierzu zählt als wohl wichtigster Bereich mit unmittelbarer ethischer Relevanz die Sterbehilfe und damit direkt verbunden weitere Grundfragen ärztlicher Ethik, beispielsweise insgesamt ein
sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Schaden einer Maßnahme unter Einbeziehung der Wünsche, Ziele und Wertvorstellungen des Patienten. Die ethische Bewertung der Tötung auf Verlangen seitens der
Palliativversorgung fällt negativ aus.
Unmittelbar mit der Gestaltung des Lebensendes verknüpft sind die ethischen Fragen nach der Angemessenheit von Behandlungsabbrüchen, Therapiezieländerungen und dergleichen. Hier besitzt das
Konzept der Futility maßgebliche Bedeutung. Besondere Schwierigkeiten wirft die Frage auf, wann auf lebenserhaltende medizinische Maßnahmen verzichtet werden darf, weil diese vergeblich
(„futile“) sind. Die Indikationsstellung stützt sich auch auf das fachliche Urteil der Ärztin/des Arztes. Bei der Festlegung des Behandlungszieles und der therapeutischen Maßnahmen müssen vor
allem Patientinnen/ Patienten, aber auch andere Teammitglieder und – falls von den Betroffenen gewünscht – auch Angehörige mit einbezogen werden. Auch die Ausgestaltung und Wirksamkeit von
Patientenverfügungen ist ein wichtiges ethisches und rechtliches Thema in vielen palliativmedizinischen Fachtexten.
Ethische Fragen müssen sich in der Palliativversorgung jedoch nicht auf der Ebene der Individualethik bewegen, es werden auch makrostrukturelle Fragen erörtert, die die Ethik des
Gesundheitssystems betreffen, beispielsweise Rationierung, Priorisierung, Rationalisierung und damit zusammenhängend Fragen der Pflegeethik.
Kollokationen: Sozialphilosophie, Sterbehilfegesetz, Diskursivität, Pflegeethik, Enquete-Kommission, Grundbegriff, neuzeitlich, konsequentialistisch, Kompetenzzentrum, zwischenmenschlich, Mitmenschlichkeit, John Stuart Mill, Moral, Realitätsnähe, sittlich, Utilitarismus, Medizinethik, Theologie, philosophisch, soziologisch, Gesundheitspolitik, Sterbehilfe, christlich, Verhalten, theoretisch, abwägen, Überversorgung, technisch, Organspende
Feststehender Begriff: Ja. Der Ethikbegriff ist in der Ethik und Philosophie klar definiert, die Verwendung in der Palliativversorgung unterscheidet sich davon nicht.
aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch