• Entscheidung, Entscheidungsfindung

Score-Wert:        30 (zentraler Kernwortschatz)

 

Geschichte
Entscheidungsprozesse spielen schon von Beginn an eine wichtige Rolle in der Palliativmedizin. In früheren Texten bezieht sich das Wort Entscheidung in der Regel direkt auf die Entscheidungsfähigkeit im engeren Sinne (z.B. im Kontext der Einrichtung einer gültigen Patientenverfügung). Verstärkt nach 2009 werden gemeinsame Behandlungsentscheidung zwischen Ärztin/Arzt, Patientin/Patient und Angehörigen thematisiert.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativmedizin
Die Ausgestaltung von Entscheidungsprozessen betrifft alle Aspekte der palliativmedizinischen Fachkultur. Entscheidungsprozesse treten in der Fachliteratur in einer ganzen Reihe von Einzelkontexten auf:

  • Ärztliche Entscheidung für oder gegen eine mögliche weitere Diagnostik oder Therapie; Entscheidungen, die den Nutzen oder Schaden von Therapien betreffen
  • Patientenseitige Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung von Therapiemaßnahmen
  • Entscheidungsfindung bei Nicht-Einwilligungsfähigkeit

Merkmale einer als positiv bewerteten Entscheidungssituation sind Freiwilligkeit, Informiertheit und Rechtzeitigkeit (das Vorliegen eines angemessenen Zeitraums, in dem entschieden wird). In den Fachtexten besteht insbesondere Einigkeit darüber, dass in die Entscheidungsfindung sowohl Patientinnen/Patienten als auch Angehörige und Pflegende einzubeziehen sind. Entscheidungsfindung erscheint in den Texten als egalitärer Prozess, der auf Kommunikationsakten zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient basiert. Partizipation erhebt eine aktive Beteiligung des Patienten/der Patientin an kommunikativen Entscheidungsprozessen zum Ideal, das im geschützten Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient besteht. Eine hierarchisches Arzt-Patienten-Verhältnis wird in der Regel abgelehnt und als veraltet kritisiert (Paternalismus).
Eine gezielte Verbesserung der Gesprächskultur (im Sinne einer Autonomieübertragung) kann die Patientin/den Patienten hingegen dazu ermutigen, selbst als autonom Handelnde/-r aufzutreten. Von ärztlicher Seite aktiv vermittelte und eingeforderte Partizipative Entscheidungsfindung bedeutet damit auch eine Gewährleistung von Patientenautonomie. Am Schluss von Entscheidungsprozessen steht das Moment der formalen Autorisierung, also die rechtsgültige Zustimmung zu einer gemeinsam herausgearbeiteten Behandlungsmaßnahme.
Entscheidungsfindung bezieht sich nicht ausschließlich auf die Arzt-Patient-Interaktion im engeren Sinne. Die Analyse von Wortkontexten lässt erkennen, dass viele Entscheidungsprozesse primär im häuslichen Umfeld vollzogen werden und zu einem großen Teil auf Kommunikationsakten unter Angehörigen basieren. Auch ein gegenseitiger Austausch im Team kann zu einem Perspektivenwechsel beitragen und dabei helfen, Entscheidungen gemeinsam auf eine solidere Basis zu stellen.
Entscheidungsfindung stellt besonders in jüngeren Texten (spätestens ab 2010) ein wichtiges Forschungsinteresse der Palliativmedizin dar.

 

Kollokationen: partizipativ, shared decision making, autonom, selbstbestimmt, Vorsorgeplanung, Tragweite, Behandlungsabbruch, Therapiezieländerung, Therapiebegrenzung, informieren, einbeziehen, Lebensende, ethisch, richtig, Vorausplanung, Flüssigkeitssubstitution

 

Feststehender Begriff: Ja. Definitionen rund um die Entscheidungsfindung finden sich in Kapitel 7 der erweiterten S3-Leitlinie Palliativmedizin 2019 (Langversion).

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch