• Achtsamkeit

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Geschichte
Achtsamkeit als Begriff gewinnt in der Palliativversorgung um 2006 immer stärker an Bedeutung. Von Achtsamkeit wird in einer eher niedrigen Frequenz gesprochen, das Wort ist aber ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber vielen anderen medizinischen Disziplinen und als solches eine Besonderheit der Palliativversorgung.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativversorgung
Das Sprechen von Achtsamkeit ist insbesondere in Fachmedien verknüpft mit dem Interesse an Emotionen und Kognition der Patientin/des Patienten. Dieses steht im Kontext psychologischer Vorstellungen einer „Innerlichkeit“ der Patientin/des Patienten und einem ausgeprägten Interesse an dessen psychischer Lebensqualität. Dabei wird zum Teil sehr explizit mit psychologischem Fachvokabular operiert (Selbstregulation, Selbstwirksamkeit, Bewältigung bzw. Coping). Dieser Wahrnehmungskontext ist beim Sprechen von Achtsamkeit grundsätzlich zu berücksichtigen. Achtsamkeit ist semantisch stark mit der Selbstwahrnehmung der eigenen Person verbunden. Obwohl sich grundsätzlich unterschiedliche Bedeutungsspielräume eröffnen, stehen die Wahrnehmung und das Spüren des eigenen Körpers und das Spüren der eigenen Bedürfnisse und Grenzen im Vordergrund. Achtsamkeit kann neben dieser psychisch-physischen Komponente aber auch die Bewusstheit des eigenen Lebens bedeuten. Achtsamkeit meint dann die Kultivierung des Bewusstseins für die eigenen Lebensumstände und die soziale Eingebundenheit. Sie entspricht damit einem der Palliativversorgung eigenen Fokus auf die Lebenswelt des Patienten oder der Patientin. Diese Bedeutungskomponente steht jedoch eher im Hintergrund.
Achtsamkeit als Selbstzuwendung kann konkrete positive Implikationen für die Lebensqualität und Zufriedenheit der Patientinnen, Patienten und Angehörigen. Damit verbunden sind sogenannte achtsamkeitsbasierte Verfahren bzw. achtsamkeitsbasierte Therapien, beispielsweise Yoga, Atemübungen, MSBR (Mindfulness-Based Stress Reduction bzw. achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) sowie Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Diese Therapieformen dienen zur Erholung, zur Stärkung der eigenen Ressourcen, zur Stressreduktion und zur Bewältigung von Belastungen. Teilweise werden achtsamkeitsbasierte Verfahren sogar zur nicht-medikamentösen Behandlung von Depressionen empfohlen. Im Gegensatz zu anderen Kontexten ist Achtsamkeit in der Palliativversorgung kaum mit Konzepten buddhistischer Lehren und Meditationspraktiken verknüpft. In sehr seltenen Fällen bezieht sich Achtsamkeit überdies auf die Perspektive der Mitglieder des multiprofessionellen Teams, sie sollen mit Patientinnen, Patienten und Angehörigen achtsam kommunizieren, gleichzeitig aber auch sich selbst gegenüber achtsam sein und angesichts der belastenden Tätigkeit die eigenen Bedürfnisse berücksichtigen. Hier wird Achtsamkeit zum Teil synonym zu Einfühlsamkeit und Empathie verwendet.

 

Kollokationen: Einklang, Hinspüren, Abwägen, religiös-spirituell, Kultursensibilität, Natürlichkeit, Einfühlsamkeit, wertschätzen, Stressreduktion, Hinsehen, Aufrichtigkeit, Meditation, Akzeptanz, Yoga, Entspannungsverfahren, Mitgefühl, Resilienz, Anteilnahme, sensibel

 

Feststehender Begriff: Nein. Die semantische „Spannbreite“ dessen, was als achtsam bezeichnet werden kann, ist groß.

 aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch