• Wille

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Geschichte
Wegen der teilweisen Mehrdeutigkeit von Wille und Patientenwille kann keine einheitliche Entwicklung im Gebrauch dieser Wörter nachgezeichnet werden. Patientenwille im Sinne eines im Rahmen der Patientenverfügung erklärten Willens (vgl. auch mutmaßlicher Patientenwille und erklärter Wille) ist dagegen wohldefiniert und wird in den Jahren 2012–2014 und 2015–2017 mit deutlich gesteigerter Frequenz verwendet.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativversorgung
Die Wörter Wille und Patientenwille werden in der Fachliteratur der Palliativversorgung in vielfältigen semantischen Kontexten verwendet, zum Teil mit unterschiedlichen Bedeutungen.
Dominant ist sicherlich die Verwendung von Wille und Patientenwille in Zusammenhang mit der Patientenverfügung als Rechtsinstrument (Kollokationen mutmaßlicher, vorausverfügter, erklärter Wille). Diese Kontexte sind stark mit Rechtsvokabular verknüpft. Der mutmaßliche Wille kommt zum Tragen, wenn eine Patientin/ein Patient in nicht einwilligungsfähigem Zustand behandelt werden muss, ohne sich vorher (im einwilligungsfähigen Zustand) schriftlich oder mündlich zur Durchführung der konkreten medizinischen Behandlung erklärt zu haben. Der Patientenwille ist in konkreten juristisch relevanten Behandlungssituationen häufig Auslegungssache. Die Behandlung muss gemäß der ärztlichen Indikation - dem (mutmaßlichen) Willen der Patientin/des Patienten folgend - durchgeführt oder unterlassen werden. Kollokationen weisen klar darauf hin, dass der unsichere mutmaßliche Patientenwille ermittelt werden muss und großen Interpretationsspielräumen unterliegt. Der Patientenwille beansprucht unmittelbare Gültigkeit. Weder Betreuerin/Betreuer noch Teammitglieder dürfen sich über ihn hinwegsetzen. Teammitgliedern  kann aber sehr wohl eine unterstützende Rolle im Hinblick auf die Ermittlung des Patientenwillens zukommen.  Dabei sind auch entsprechende ethische Werthaltungen aller Beteiligten bedeutsam.
Einer zweiten Bedeutung gemäß kann Patientenwille auch im Sinne einer Willensäußerung im Kontext medizinischer Entscheidungsfindung ohne explizite Verknüpfung mit einer Patientenverfügung gebraucht werden. Der Wille der Patientin/des Patienten ist im Kontext von Behandlungsentscheidungen unbedingt zu beachten, die Entscheidungsfindung ist als kommunikativer Aushandlungsprozess zwischen Behandelnden und Patientin/Patient zu verstehen (vgl. Artikel ‚Kommunikation‘).
Patientenwille und besonders Wille können drittens auch im Sinne von Wünschen der Patientin/des Patienten verstanden werden, dies in direkter semantischer Nähe zu Bedürfnisorientierung und Patientenorientierung. Diese Bedeutung ist gegenüber den beiden erstgenannten als nachrangig zu betrachten. In der Regel ist von den ersten beiden Bedeutungen auszugehen.

 

Kollokationen: Betreuungsstatus, ungeklärt, mutmaßlich, erklärt, unklar, konträr, Eruierung, Eruieren, eruieren, Ermittlung, Eindeutigkeit, irreversibel, gerichtlich, vorausverfügt, rechtswidrig, niedergelegt, Durchsetzung, Missachtung, Respektierung, respektieren, wirklich, Unklarheit, Feststellung, Vermittler, Vorausverfügung, Einvernehmen.

 

Feststehender Begriff: Ja. Die Bedeutung des mutmaßlichen Patientenwillens ist klar definiert. Andere „Arten des Willens“ sind jedoch zum Teil in völlig anderen semantischen Bereichen angesiedelt.

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch